„Morgen in Katar“ von Theresia Walser

Theaterstück von Theresia Walser

Der Zug ist bereits eine Weile unterwegs, als er kurz vor Karlsruhe eine Vollbremsung macht. Ein Mensch hat sich vor den Zug geworfen. Und drinnen im Zug sitzen die Reisenden, schon zu Beginn merklich gereizt, und warten: Der Schaffner kommt vorbei und weiß nichts Neues, die Kellnerin verkauft Sektchen und Schnäpschen. Der Alkoholpegel steigt, die Gespräche werden verstiegener.

Theresia Walsers Personnage, die im Zugabteil diese zunehmend betrunkene Schicksalsgemeinschaft bildet, ist denkbar unterschiedlich: Edith etwa ist leicht sentimental und hat wilde Gedankensprünge. Die Architektin hat Zahnweh und träumt vom perfekten Haus, das sie, so ahnt auch sie selbst, nie bauen wird. Die Blonde Frau plappert gerne und träumt von der
Wüste. Und Herr Wüntrop hat sich „von Deutschland abgemeldet“ und wird in Katar einen Louvre bauen. Denn dort „trifft sich die Welt von morgen“.

Walser hat mit Morgen in Katar eine Komödie geschrieben, in der die Zeit stehen geblieben scheint. Hier, im Niemandsland, konfrontieren die Reisenden einander mit ihren Plänen, Ängsten, mit versponnenen Reflexionen und Lebenstheorien und produzieren eine Gesprächsmelodie, die absurd ist und sehr komisch. Steht dieser Zug tatsächlich vor Karlsruhe oder doch kurz vor Katar? Eines zumindest wird rasch klar: Man möchte diesen Figuren sehr lange bei ihrem außerplanmäßigen Zwischenhalt zusehen.